Der „große AM“ (S) bis 23.08.2017 vs. der „kleine AM“ ab 24.08.2017

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Der „große AM“ (S) bis 23.08.2017 vs. der „kleine AM“ ab 24.08.2017

Beitrag von Fichte » Fr 15. Okt 2021, 10:31

Der „große AM“ bis 23.08.2017 vs. der „kleine AM“ ab 24.08.2017

Werte Forenteilnehmer,

im Zuge einer aktuellen Problemstellung zu der Frage, welches leichte und vierrädrige Kraftfahrzeuge hinsichtlich der Kubikangaben bei Selbstzündern (CI/Dieselmotoren) gefahren werden dürfen, hat sich ergeben, dass die Inhaber der Fahrerlaubnis „AM“ bzw. „S“ - welche bis zum 23.08.2017 erteilt wurde - auch die alten Mopedauto mit mehr als 500 ccm fahren dürfen, die Inhaber der Fahrerlaubnis „AM“ - welche ab dem 24.08.2017 erteilt wurde – nur noch jene Mopedauto, mit bis zu 500 ccm.

In einer übersichtlichen Zusammenfassung dieser (für den Unterzeichner widersinnigen) Regelungen wie folgt:

Die Typengenehmigung

In der „EG-Kraftrad-TypengenehmigungsVO vom 07.02 04 (BGBl_I_04,248)“ wurden ehemals vierrädrige Fahrzeuge in der Klasse „L6e“ wie folgt definiert:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content ... 24&from=DE

„vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge“ sind vierrädrige Kraftfahrzeuge mit einer Leermasse von bis zu 350 kg (Klasse L6e), ohne Masse der Batterien bei Elektrofahrzeugen, mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 45 km/h und mit einem Hubraum von bis zu 50 cm3 im Falle von Fremdzündungsmotoren oder einer maximalen Nutzleistung von bis zu 4 kW im Falle anderer Verbrennungsmotoren oder mit einer maximalen Nenndauerleistung von bis zu 4 kW im Falle von Elektromotoren. Diese Fahrzeuge müssen den technischen Anforderungen für dreirädrige Kleinkrafträder der Klasse L2e genügen, sofern in den in Anhang I der Typgenehmigungsrichtlinie genannten Einzelrichtlinien nichts anderes vorgesehen ist“

Mithin ohne Kubikobergrenze bei Selbstzündern/Dieselmotoren.

Damalig auf dem Markt befanden sich u.a. Dieselmotoren in Leichtkraftfahrzeugen wie zum Beispiel dem

Lombardini FOCS mit 502 ccm bzw. 505 ccm
Lombardini LGW mit 523 ccm
Yanmar 523 ccm
Mitsubishi 635 ccm

welche u.a. im Microcar M1 und M2, Ligier oder auch bei Chatenet verbaut wurden.

Erst durch eine im Kalenderjahr 2013 nachfolgende Verordnung (Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013) wurde eine Kubikobergrenze von 500 ccm bei Selbstzündern in der Klasse „L6e“ wie folgt aufgenommen:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content ... 68&from=DE

„ein Hubvolumen von ≤ 50 cm3, falls ein PI-Motor Teil der Antriebskonfiguration des Fahrzeugs ist, oder ein Hubvolumen von ≤ 500 cm3, falls ein CI-Motor Teil der Antriebskonfiguration des Fahrzeugs ist…

geschlossener, höchstens von drei Seiten zugänglicher Fahrer- und Fahrgastraum und

maximale Nenndauerleistung oder Nutzleistung ≤ 6 000 W“



Nach der hierin und zusätzlich enthaltenen Übergangsbestimmungen, Artikel 77, wurde festgehalten:

Artikel 77

Übergangsbestimmungen

(1) Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung wird durch diese Verordnung keine EU-Typgenehmigung ungültig, die vor dem 1. Januar 2016 für Fahrzeuge oder für Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten erteilt wurde.


Die Klassifizierung/Einteilung dieser vorgenannten (alten) Motoren/Fahrzeuge in die Typenklasse „L6e“ blieb mithin erhalten, sogenannter Bestandsschutz.


Die Fahrerlaubnisverordnung

Auch die Fahrerlaubnisverordnung befand sich hinsichtlich der leichten und vierrädrigen Fahrzeuge im Wandel der Zeit:

§ 6 FeV a.F. (alte Fassung) in der vor dem 30.06.2012 geltenden Fassung:
https://www.buzer.de/gesetz/9545/al0-34436.htm

Klasse S:

Dreirädrige Kleinkrafträder und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge jeweils mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und einem Hubraum von nicht mehr als 50 cm³ im Falle von Fremdzündungsmotoren, einer maximalen Nutzleistung von nicht mehr als 4 kW im Falle anderer Verbrennungsmotoren oder einer maximalen Nenndauerleistung von nicht mehr als 4 kW im Falle von Elektromotoren; bei vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen darf darüber hinaus die Leermasse nicht mehr als 350 kg betragen, ohne Masse der Batterien im Falle von Elektrofahrzeugen


§ 6 FeV n.F. (neue Fassung) in der am 19.01.2013 geltenden Fassung
https://www.buzer.de/gesetz/9545/al37073-0.htm

Klasse S wurde aufgelöst und in Klasse AM überführt und wie folgt definiert:

Dreirädrige Kleinkrafträder und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge jeweils mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und einem Hubraum von nicht mehr als 50 cm³ im Falle von Fremdzündungsmotoren, einer maximalen Nutzleistung von nicht mehr als 4 kW im Falle anderer Verbrennungsmotoren oder einer maximalen Nenndauerleistung von nicht mehr als 4 kW im Falle von Elektromotoren; bei vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen darf darüber hinaus die Leermasse nicht mehr als 350 kg betragen, ohne Masse der Batterien im Falle von Elektrofahrzeugen.

Mit der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) wurde § 6 FeV hinsichtlich der Einteilung der Fahrerlaubnisklassen und den leichten und vierrädrigen Fahrzeugen wie folgt vollständig neu abgefasst:
https://www.buzer.de/gesetz/9545/al64066-0.htm

§ 6 FeV n.F. (neue Fassung) in der am 24.08.2017 und noch heute (15.10.2021) geltenden Fassung:

Klasse AM: leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge der Klasse L6e nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen (ABl. L 60 vom 2.3.2013, S. 52).


Durch die Bezugnahme auf die Verordnung (EU) Nr. 168/2013 war/ist es den Erwerbern der Fahrerlaubnis der Klasse „AM“ ab diesem Zeitpunkt nur noch möglich/zulässig, leichte und vierrädrige Fahrzeuge - u.a. und hier entscheidend - mit Dieselmotoren mit bis zu 500 ccm zu führen.

Innerhalb dieser Verordnung wurde explizit geregelt/ausgeführt, dass die Inhaber der Fahrerlaubnis der Klasse AM, welche bis zum 23.08.2017 deren Fahrerlaubnis erteilt bekommen haben, die leichten und vierrädrigen Fahrzeuge mit mehr als 500 ccm weiter führen/fahren dürfen:

https://www.gesetze-im-internet.de/fev_ ... E002202123

§ 76 Übergangsrecht

(8a) § 6 Absatz 1 zu Klasse AM: Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse AM, die bis zum Ablauf des 23. August 2017 erteilt wurde, sind auch berechtigt, vierrädrige Kraftfahrzeuge der Klasse L6e mit CI-Motor mit einem Hubraum von mehr als 500 cm3 und dreirädrige Kleinkrafträder mit einer Leermasse von mehr als 270 kg und zweirädrige Kleinkrafträder mit Beiwagen zu führen.


Dasselbe hilft hingegen jenen Inhabern einer ab dem 24.08.2017 erteilten Fahrerlaubnis nicht/nicht mehr, die "alten" leichten und vierrädrigen Fahrzeuge (mit Dieselmotor) mit mehr als 500 ccm zu führen. Denkbar ist/wäre allenfalls, dass eine Ausnahmegenehmigung beantragt wird, ob dasselbe glückt, ist offen.

022)

Wäre die letztgenannte Bestimmung nicht, hätte (Fahrradkette) man argumentieren können, dass die alten Mopedautos hinsichtlich der Typengenehmigung gleichgestellt wurden. Durch diese Klarstellung in der Fahrerlaubnisverordnung fällt dieses Argument hingegen in sich zusammen… 088)
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Re: Der „große AM“ (S) bis 23.08.2017 vs. der „kleine AM“ ab 24.08.2017

Beitrag von Fichte » Di 23. Aug 2022, 20:00

022) Die Frage, welche Leichtkraftfahrzeug die Fahrerlaubnisinhaber der Fahrzeugklasse "AM" - welche ab dem 24.08.2017 erteilt wurde - nunmehr fahren und kaufen dürfen, musste irgendwann kommen und möchte ich wie folgt beantworten:

Grundsätzlich: Alle Leichtkraftfahrzeuge, welche beginnend ab dem Kalenderjahr 2017 auf den Markt gekommen sind und erstmals zugelassen wurden, beinhalten in der Regel Dieselmotoren, deren Kubikobergrenze bei bis zu 500 ccm liegt (hauptsächlich die DCI-Motoren, Diesel Progress ACT mit 500 Kubik oder der Kubota Z482).

Mithin sind alle anderweitigen Leichtkraftfahrzeug, welche vor dem Kalenderjahr 2017 gebaut und zugelassen wurden, hinsichtlich deren Motorisierung zu überprüfen. Das Leergewicht darf ferner die 425 kg nicht überschreiten, nicht mehr als zwei Sitze (inkl. Fahrersitz) und nicht mehr als 6 kw.

Mithin sind Fahrerlaubnisinhaber der Klasse AM, welche ab dem 24.08.2017 erteilt wurde, nicht (!) berechtigt Leichtkraftfahrzeuge mit nachfolgend explizit benannten Diesel-Motoren zu führen:

Kubota Z602
Lombardini FOCS, LDW 502 oder 505
Lombardini LGW 523 MPI
Honda GX120, GX160, GX200 (Benziner, Ausnahmen möglicherweise bei "Krankenfahrstühle")
Yanmar 2TNE68 (mit 522 ccm)

Die Benzinmotoren sind für diese Fahrerlaubnisinhaber (AM) ebenfalls auf 50 ccm beschränkt, aber in und an Leichtkraftfahrzeugen verbaut ohnehin nicht empfehlenswert.

Maßgeblich ist der Hubraum des jeweiligen Motors.

Welcher Motor in welchem Kraftfahrzeug möglicherweise verbaut ist/verbaut wurde, kann (untergliedert nach dem Hersteller) hier (ohne Gewähr auf Vollständigkeit und Richtigkeit) nachgeforscht werden:

viewtopic.php?f=14&t=9408

Dieses Thema vertiefend und weiterführende „Einkaufsvorschläge“ hier: viewtopic.php?f=2&t=10416&p=108420#p108420
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Re: Der „große AM“ (S) bis 23.08.2017 vs. der „kleine AM“ ab 24.08.2017

Beitrag von Fichte » Do 25. Aug 2022, 14:25

Hinsichtlich einer gesonderten Nachfrage zu Elektroleichtfahrzeugen und der Fahrerlaubnis „AM“ eine Ergänzung meinerseits.

Unabhängig vom Zeitpunkt der Erteilung dieser Fahrerlaubnis sind Inhaber der Fahrerlaubnisklasse „AM“ berechtigt, nachfolgende Elektro(leicht)Fahrzeuge zu führen:

Dreirädrige Kleinkrafträder der Klasse L2e mit
- bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und
- maximalen Nenndauerleistung im Falle von Elektromotoren bis zu 4 kW und
- einer Masse in fahrbereitem Zustand ≤ 270 kg und
- höchstens zwei Sitzplätzen einschl. Fahrersitz.

Leichte vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge der Klasse L6e mit
- bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und
- einer maximalen Nenndauerleistung im Falle von Elektromotoren bis zu 4 kW (Klasse L6e-A) bzw. 6 kW (Klasse L6e-B) und
- einer Masse in fahrbereitem Zustand < 425 kg und
- höchstens zwei Sitzplätzen einschl. Fahrersitz.
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