Radlagerwechsel M.Go hinten

Alles was quietscht und rattert....

Moderator: guidolenz123

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rolf.g3
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Radlagerwechsel M.Go hinten

Beitrag von rolf.g3 » Mo 11. Apr 2022, 19:29

Das Wechseln der Radlager kommt bei unseren Kisten leider hin und wieder vor, kaum einer mag solche Arbeiten und die meisten befürchten Unwägbarkeiten und ein mögliches Scheitern an der Aufgabe ...
Hier möchte ich aufzeigen das hinter dem großen und bösen Radlager eigentlich nur etwas kniffliges Fingerverknoten und ein wenig Brachialgewalt steckt.
Grundsätzlich gild jedoch: Arbeiten an Lenkung, Bremsen und Aufhängung erfordern erweiterte Sachkenntnisse - und das Radlager gehört halt nunmal zur Aufhängung und die Bremse ist auch mit dabei :(

Trotzdem, allahopp, ... frisch Gesellen seid zur Hand !!! ...würde unsern guter alter Heine ausrufen ( denn er hat seinen Schiller gelesen 019) )

DAS ist das Allererste, das gemacht wird: Die zentrale Mutter anlösen
Das rechte Hinterrad
Das rechte Hinterrad
DSC07056.JPG (67.76 KiB) 1184 mal betrachtet
Sodann werden die Radmuttern gelöst und der Wagen mit einem Wagenheber an seiner Hebeposition ( siehe Bedienungsanleitung ) anheben, das das Rad frei dreht.
Auf sicheren Halt achten, der Wagen darf selbst bei Erdbeben der Stärke 7,4 nicht runterfallen und sollte auch sonst stabil stehen - auserdem ist das Fahrzeug vor Abrollen zu sichern, aber nicht mit der Handbremse ! Da wir an dem Handbremsgebremsten Rad arbeiten müssen, sollte die Handbremse ohne Last stehen.

Steht der Kasten wie eine ägyptische Pyramide fest auf der Erde, können wir das Rad abnehmen, dazu die gelösten Radmuttern abschrauben.
DAS ist das was wir sehen:
Der Bremssattel, jetzt wirds knifflig
Der Bremssattel, jetzt wirds knifflig
DSC07057.JPG (44.35 KiB) 1184 mal betrachtet
Die markierten Schrauben lösen den Sattel.
Hier ist auf gutes Qualitätswerkzeug zurückzugreifen. Billiges Werkzeug ist halt leider billiges Werkzeug - diese Arbeiten würde mit billigen Schraubenschlüsseln niemals zerstörungsfrei von statten gehen selbst teures kommt an seine Grenzen !
DAS ist passiert, als ich mit der Ratsche und der 12er Nuss die Sattelstrebe abschrauben wollte ( Schrauben hinter der sattelstrebe )
Hier war keine Gewaltanwendung die Ursache !
Hier war keine Gewaltanwendung die Ursache !
DSC07058.JPG (33.88 KiB) 1184 mal betrachtet
Einen guten ( Hazet ) 12er Ringschlüssel mit dem Kunststoffhammer krumm gekloppt
Tatsächlich mit dem Hammer, leicht draufgeschlagen
Tatsächlich mit dem Hammer, leicht draufgeschlagen
DSC07059.JPG (40.92 KiB) 1184 mal betrachtet
Sah dann so aus:
:-0
:-0
DSC07060.JPG (33.6 KiB) 1184 mal betrachtet
Schrauben etwas heiss gemacht und dann vorsichtig mit dem nächsten Ringschlüssel die Schrauben gelöst und die Sattelstrebe ist abgefallen ...
Alle Schrauben heil geblieben ;-) Stückpreis bis 18,-€
Alle Schrauben heil geblieben ;-) Stückpreis bis 18,-€
DSC07062.JPG (48.57 KiB) 1184 mal betrachtet
Hier kommt das gute Werkzeug zum tragen ! Ein billiger Ringschlüssel hat nicht die Passgenauigkeit eines hochwertigen Werkzeugs. Die Kräfte, die hier wirken sind enorm, der Schlüssel darf verbiegen, gar brechen, aber die Schraube / Mutter darf keinen Schaden abbekommen. Das Ausbohren einer rundgedrehten Schraube ist unglaublich viel anstrengender als der ( ärgerliche ) Austausch eines Werkzeuges...

Jetzt wird die gelöste Zentrale Mutter abgeschraubt und die Nabe von der Achse gezogen.
Man beachte bei der Montage den Hauch von Kupferpaste, sonst geht der Kram in 10 Jahren nimmer auseinander !
Man beachte bei der Montage den Hauch von Kupferpaste, sonst geht der Kram in 10 Jahren nimmer auseinander !
DSC07064.JPG (38.88 KiB) 1184 mal betrachtet
Das Bauteil, nun vom Auto gelöst, findet nun Platz auf der Werkbank. Hier erwartet das Teil die im Vorwort erwähnte Brachialgewalt. Ich hab einen großen, wirklich großen Hammer hergenommen und ein Stück Rohr. Die Werkbank bzw der Untergrund sollte diese Gewalt aushalten und darf das Bauteil nicht beschädigen UND muss dem auszutreibenden Lager genügend Raum bieten zum Rausfallen.
Zuerst aber noch den Seegerring ausbauen, sonst hilft nichtmal Brachialgewalt....
Ist recht zickig weil recht groß, hilft aber nix, muss raus !
Ist recht zickig weil recht groß, hilft aber nix, muss raus !
DSC07063.JPG (34.45 KiB) 1184 mal betrachtet
Was jetzt passiert ist leider eine Abfolge von Dingen, die es nichtmal erlauben zwischendurch auch nur ein Foto zu machen. Das letzte Foto ist die Aufwärmphase, dazu den Lagersitz mit einem Kriechöl einsprühen - es soll nicht ölen, es soll qualmen !
Ich benutze hier eine Heißluftpistole. Eine Lötflamme geht auch
Ich benutze hier eine Heißluftpistole. Eine Lötflamme geht auch
DSC07065.JPG (37.47 KiB) 1184 mal betrachtet
Oben schrienb ich, es soll qualmen ... eigentlich blödsinn, aber hier der Marker für die richtige Temperatur !
Das Bauteil besteht aus Aluminium, das Lager aus Stahl - und Plastik und Gummiteilen.
Das Aufwärmen hat den Sinn, das Aluminium in seiner Größe zu ändern: Wärme läßt Materie wachsen ! Das Bauteil dehnt sich aus, nur so kommt das Lager überhaupt aus seinem Sitz und das neue wieder hinein ... Das neue Lager sollte dringend mindestens 2 Stunden im Froster gelegen haben, besser 24 Stunden !
Beginnt nun das Bauteil gleichmäßig zu qualmen ( das Sprühöl beginnt zu kochen ) beginne ich das alte Lager mit dem Stück Rohr und dem Hammer aus seinem Sitz zu treiben, dabei wird kontinuierlich weiter Warmluft zugeführt.
Das Lager sitzt echt fest !
Die richtige Temperatur ist auch für das Einsetzen des neuen Lagers wichtig, von daher sollten wir darauf achten, die Temperatur im Bauteil zu halten, zu heiß darf es aber nicht werden damit im neuen Lager die Kunststoffteile nicht leiden.
Ist das Lager rausgedroschen muss der Lagersitz gründlich gereinigt werden, ich bevorzuge ein Reinigungsflies.
Achtung: Wir arbeiten mit Heißluft, damit die Bauteile Heiß werden ! Heiß ist eben Heiß, ich für meinen Teil hab mir tatsächlich die Finger verbrannt !!!
Bauteil ist sauber und noch ordentlich heiß ( immer rund und rund aufwärmen, nie an nur einer Stelle heiß machen, damit das Bauteil gleichmäßig warm wird und sich gleichmäßig ausdehnt, punktuelle Erwärmung kann zu Verzug führen, grade bei Getriebedeckeln oder großflächigen Bauteilen. )
Dann müssen wir das alte Lager zerlegen, das " Innere " muss raus, damit wir das " Äußere " als Einschlaghülse verwenden können, das hat nämlich exakt den richtigen Durchmesser !
Da ist ´ne Menge Zeug drin, in so nem Lager ...
Da ist ´ne Menge Zeug drin, in so nem Lager ...
DSC07066.JPG (33.07 KiB) 1184 mal betrachtet
Das gesäuberte Bauteil wieder auf Temperatur bringen, das tiefgekühlte Lager aus dem Froster holen und Flupp, 90 % sind in seinen Lagersitz geflitscht ohne weiteres Zutun. Der letzte Zentimeter: Das alte Aussenlagerring auflegen und mit einem trockenem Hammerschlag das neue Lager eintreiben, vlt ein zweiter und dritter Hammerschlag - aber spätestens jetzt muss das Lager sitzen.
Immernoch ist Eile geboten, da das Lager das bauteil abkühlt und die noch vorhandene Wärme aufnimmt um seinerseits sich auszudehnen.
Seegerring einsetzen, richtigen Sitz beachten !
Jetzt die Nabe auf die Achse schieben- mittlerweile hat sich das Lager soweit erwärmt, das es locker draufflutscht.
Den Hauch Kupferpaste nicht vergessen VORHER aufbringen :wink:
Jetzt schnell noch die zentrale Mutter aufschrauben und fest ziehen, die Nabe sitzt nun an ihrem Platz ! ... und ist mit dem abkühlen bombenfest !
Das allerbeste: Das neue Lager ist aufgrund der Wärmebehandlung zu keiner Zeit falsch belastet worden und kann sich gut einfügen...
Sieht dann so aus
;-)
;-)
DSC07067.JPG (38.31 KiB) 1184 mal betrachtet
... eben genauso wie vorher ... :( so soll es sein :D
Jetzt den Sattel wieder montieren, das Rad aufschrauben und fertig ist der Radlagerwechsel.
In diesem Fall war die Bremse etwas schwergängig, das hab ich gerichtet, die Beläge und die Scheibe noch in gutem Zustand ( Scheibe hat noch fast neumaß )
Bonusaufgaben gabs natürlich auch, hier das fast abgerissene Handbremsseil
:-(
:-(
DSC07069.JPG (25.19 KiB) 1184 mal betrachtet
und ein Spiel in der Hinterachsafhängung, das da nicht hingehört
Dieser viese Spalt
Dieser viese Spalt
DSC07070.JPG (37.75 KiB) 1184 mal betrachtet
Aber ansonsten war das ein guter Erfolg ! Die Fahrgeräusche sind minimiert ( mman hört tatsächlich den Motor wieder 033) ) und die Handbremse stinkt nict mehr ...

Das Rad kann nicht eingestellt werden. Wäscht sich das Radlager mit den Jahren aus, wird das Rad leicht schief in seinem Sitz. Da die Bremsscheibe an der Nabe, der Sattel aber an der Achse befestigt ist, geht die Veränderung des Radwinkels in der Bremse nicht mit, die Bremsbeläge beginnen zu schleifen. Es kommt zu merkwürdigen Geruchsentwicklungen. Das neue Radlager stellt das Rad in der Bremse wiedr grade, alles gut :D

Hoffe meine Weise wurde verstanden. Denke, man kann diese Vorgehensweise auch an anderen Fahrzeugen umsetzen.
Ich hab mit meinen schiefen Knochen etwa 2 Stunden gebraucht, ungeübte brauchen vlt 3 Stunden und Fachleute mit einer 15 Tonnen -Presse und Pressluftwerkzeug vlt nur 38 Minuten.
Eine Arbeit die sogar spaß machen kann 015) 015)

gr

Ah, eines noch:

Beim Bremsbelagwechsel kommt es hin und wieder zu der feststellung, das manche Bremskolben sich ums verplatzen nicht zurück drücken lassen wollen.
Ich hab schon angemerkt: Sind die Bremskolben geschlitzt, so lassen sich diese nur eindrehen, nicht jedoch eindrücken.
Ich stieß auf unverständniss ob meiner Aussage der geschlitzten Bremskolben, daher machte ich heute endlich mal ein Foto von den zu schraubenden Teilen :
Isso !
Isso !
DSC07068.JPG (34.92 KiB) 1184 mal betrachtet
Man muss herausfinden, in welche Richtung man eindreht, gegenläufig dann die andere Seite ( glaub ich )
Das hat den Hintergrund: Die Handbremse wirkt ähnlich einer Ratsche im innern um sich dem Verschleiß der Beläge anzupassen. Diese Verstellung kann nur wieder eingedreht werden, dazu diesen diese Schlitze !
Auch hab ich ( erstmals ) auf dem entsprechenden Bremsbelag einen Pöppel gefunden, der sich hier einsetzt

gr
Schreibfehler sind wie Ostereier, wer sie findet darf sie behalten...
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" Grüße den König, wo immer er Dir begegnet ! "

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Re: Radlagerwechsel M.Go hinten

Beitrag von Fichte » Mo 11. Apr 2022, 20:35

023) danke, Rolf, den Beitrag habe ich gleich weggepinnt in die Reparaturanleitungen…..

Und mir ist bewusst, dass Dich diese Anleitung mehr Schweiß gekostet hat, als die Reparatur als solches…

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Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist.

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